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I got 99 names, but "Fiona Krakenbürger" ain't one of them

ChaospatInnen – Chancen und Risiken

Auf dem 30. Chaos Communication Congress, der vom 27. bis 30. Dezember in Hamburg stattfand, gab es zum ersten Mal die Chaospaten und Chaospatinnen. In einem vorherigen Post hatte ich bereits erläutert, worum es sich dabei handelt. Auf vielfachen Wunsch hin fasse ich hier ein wenig zusammen, wie das Projekt verlief, was gut, was schlecht war und was für eine Bilanz daraus gezogen werden kann.

Daher folgt das große

- CHAOSPATINNEN -

QUO VADIS?

FLUCH ODER SEGEN? 

FÜR UND WIDER!

PRO UND CONTRA!

Die Idee:

Grob zusammengefasst, war das Projekt ursprünglich als eine Art Mentoring für Menschen, die zum ersten Mal zum Kongress kommen, gedacht. Unser Aufgabengebiet begriffen wir (die Gründerinnen) als zweiteilig – einerseits wollten wir im Vornherein AnsprechpartnerInnen sein für Menschen, die sich aus verschiedenen Gründen nicht sicher sind, was sie vom Kongress erwarten sollen und was sie erwartet, oder für Leute, die glauben, sie wären dort nicht richtig, weil sie gar keine Hacker sind, sich aber für die Themen des Kongresses interessieren. Andererseits wollten wir für Neulinge auch vor Ort zur Stelle sein, sie willkommen heißen, einmal herumführen und mit ihnen gemeinsam ins Programm schauen und interessante Talks für sie heraussuchen.

Unsere ursprüngliche Idee wich am Ende selbstverständlich den notwendigen Mindestabstand vom tatsächlichen Geschehen ab. Ich erinnere mich an ein Telefonat mit Mey, in welchem wir darüber spekulierten, wie wir wohl vorgehen würden, wenn sich über zehn Menschen melden würden. Wir würden uns aufteilen oder Leute unseres Vertrauens den Patenkindern zuordnen müssen. Hatten wir ‘ne Ahnung…

Der Verlauf:

Das ganze Projekt beruhte auf einer Idee, die nach dem #29C3 entstand. Im Kernteam waren wir zu Beginn 3 Patinnen. Aus dem ccc erhielten wir von Anfang an Unterstützung und konnten unser Vorhaben als Blogbeitrag auf events.ccc.de kommunizieren. Kurz nach der Veröffentlichung erhielten wir schon die ersten Mails von Interessierten und der Strom an Chaospatinnen-bezogenen Mails riss bis zum Kongress nicht ab (um genau zu sein erreichte uns kurz nach dem Kongress die erste Mail für den 31C3). In einer Handvoll Podcasts wurden wir ebenfalls gefeatured. Den Mails konnten wir entnehmen, dass das nicht unwesentlich dazu beitrug, dass Leute sich einerseits zum ersten Mal trauten oder beschlossen, den Kongress zu besuchen und zum Anderen aus diesem Grund die PatInnen kontaktierten.
Für mich sehr erfreulich war, dass sich im gleichen Atemzug auch viele Freiwillige meldeten, die mithelfen wollten. Insgesamt erklärten sich 25 Paten und Patinnen bereit, zu helfen, ein Großteil von ihnen meldete sich unaufgefordert.
Die Patenkinder:

Uns kontaktierten per Mail bis zum 30. Dezember etwa 105 Patenkinder. Hinzu kommt eine Handvoll Leute, die spontan dazustießen.

Alle waren zum ersten Mal auf dem Kongress.

Ein Großteil von ihnen waren männliche Wesen.
Ein Großteil der Patenkinder war zwischen 20 und 30.
Ein Großteil der Patenkinder scheint den Kongress toll gefunden zu haben.

Viele hatten bisher den Kongress per Stream verfolgt, sich aber nie auf den Kongress getraut.
Viele konvertierten innerhalb kürzester Zeit zu Engeln.

Einige waren mit ihrem Partner oder ihrer Partnerin auf dem Kongress, wollten aber gerne auch etwas Eigenes machen.
Einige waren aus dem Ausland.
Einige schrieben Dankesmails.

Ein paar waren Eltern mit Kindern.
Ein paar Frauen äußerten ihre Bedenken, wie es wohl wäre, als Frau auf dem Kongress. (Konnte meines Wissens alle überzeugen, herzukommen).

Alle waren total toll.

 

Umsetzung:

Es wurde (hoffe ich) allen Interessierten persönlich geantwortet. Die Patenkinder wurden in einem Pad mit ihren Interessen und Hintergründen aufgelistet und entsprechend geclustert. So konnte ihnen ein passender Pate oder eine passende Patin zugeordnet werden. Bspw. vier Leute, die sich für Security, Smartcards und Hacken interessieren oder drei Menschen, die eher technikfern, aber große Podcastfans sind. Der Patin oder dem Paten wurde dann eine Mail mit den Kontaktadressen und Info der Patenkinder zugeschickt. Sie meldeten sich dann persönlich bei ihnen und waren ab diesem Zeitpunkt AnsprechpartnerIn.
Die Patenkinder sollten auch miteinander vernetzt werden, um eine Art Bezugsgruppe füreinander zu bilden. Da wir nach kurzer Zeit über 50 Patenkinder hatten, hielten wir das für sinnvoller, als sich um die Bildung einer großen Bezugsgruppe “Die Patenkinder” zu bemühen.
Diese ganze Zuordnung war ziemlich aufwändig, aber auch dem unerwarteten Andrang halber nicht gut durchdacht. Nächstes Jahr brauchen wir irgendwas praktisches… Also falls noch jemand ein Programmierprojekt sucht…

Auf dem Kongress hatten wir eine Assembly (danke, sva) mit vier von diesen großen runden Tischen. Dort fand an Tag 1 morgens ein Treffen statt, auf dem sich die Patenkinder versammeln und mal gegenseitig sowie die Paten sehen konnten. Es bekamen alle ein orangefarbenes Bändchen um sich und die Paten erkennen zu können und eine eher witzig und als Anreiz gedachte To-Do-Liste, die wir vorher zusammengestellt hatten.
Die Verantwortung auf dem Kongress überließen wir größtenteils den Paten selber. Die Paten führten ihre Patenkinder einmal durch’s Gebäude und je nach Bedarf, haben sie sich auch öfter mal mit den Patenkindern getroffen.
Am Assemblytisch trafen sich auch immer wieder Patenkinder. Die Assembly diente als Ankerpunkt, wo die Patenkinder sich auch immer wieder mal ausruhen und sich gegenseitig treffen konnten.

 

Probleme/Fehler/Scheiße bei der Umsetzung

Problematisch war auf jeden Fall die Assembly, was ich auch dem Feedback bisher entnehmen konnte. Zugegeben bekamen wir die Assembly recht spontan zugestanden und waren selber gar nicht auf die Idee gekommen, eine anzumelden. So war die Assembly nicht im Vornherein angekündigt, nicht besonders toll dekoriert (trotzdem oder gerade deswegen danke für die Laserkanone, derPupe) und ein richtiges Konzept hatten wir dafür auch nicht. So kam es natürlich vor, dass nicht immer eine Patin da war und Leute, die uns spontan besuchten, keine Ansprechpartner vorfanden. Hinzu kam, dass unsere Tische relativ häufig von anderen geclaimt wurden, was ich einerseits sehr ärgerlich fand, da sie als “ChaospatInnen-Assembly” klar gekennzeichnet waren, aber andererseits war das auch verständlich, da unsere Plätze natürlich nicht immer belegt waren und Plätze begrenzt waren. Aber das hatte leider zum Nachteil, dass gerade Neulinge abgeschreckt wurden, weil dann auch bei unserer Assembly Leute saßen, die auf ihre Laptops starrten und keine Ansprechpartner waren. Das war schade, aber auch der unausgereiften Beta-Version des Projektes geschuldet. Ich hatte selber auch nicht damit gerechnet, dass so viele Leute auch spontan zu uns kommen würden und war damit auch etwas überfordert.

-> Nächstes Mal: Schichtplan für die Assembly! Deko für die Assembly! Assembly beantragen!

Viele der Patenkinder wollten explizit Workshops besuchen und dort was lernen. Das fiel ihnen und uns allerdings schwer, zu realisieren, da es keine gute Übersicht über die Workshops gab und wo sie wann stattfinden würde. Nicht zuletzt das Ausfallen des Wikis erschwerte es, herauszufinden, wie man sich Zugang zu den Workshops verschafft.

-> Nächstes Mal: Backup auf Papier, bitte! Analoge Pläne für die Workshops, in die man sich eintragen kann, wären bestimmt gut. Zumindest aus meiner Sicht.

Um ehrlich zu sein, war ich selber teilweise angenervt davon, wenn die ChaospatInnen einen Tick zu sehr als Service verstanden und kommuniziert wurden. Es kamen viele Leute auf uns zu, da sie “zu uns geschickt wurden”. Das nervte natürlich vor allem, da wir nicht darauf vorbereitet waren, sondern nur die Angemeldeten Leute im Blick hatten. So mussten spontan neue PatInnen akquiriert werden und es wurde etwas chaotisch. Natürlich fühlte es sich auch blöd an, scheinbar auf eine “Neu! Gratis! Führungen durch’s cch!“- Nummer reduziert zu werden. Andererseits war das Bedürfnis einfach da, und die Leute, denen ich mich angenommen hatte, waren auch total nett und super dankbar. Wenn wir beim nächsten Mal genügend Leute haben und das vorher wissen, können wir damit besser umgehen.

-> Nächstes Mal: Mehr Leute, die auch spontan Leute durch’s Gebäude führen können. Aber bitte schickt nicht leichtfertig Leute zu uns, so eine Führung kann – wenn man es gut machen will – eine Menge Zeit einnehmen. Ihr wisst, wie riesig das Gebäude ist.

 

Wie lief’s?

Ich würde vorsichtig und nur auf Basis von gefilterten Ergebnissen formulieren, dass das Projekt sehr erfolgreich verlief. Ich habe nicht alles mitbekommen, aber viele Patenkinder kehrten auch immer wieder zur Assembly zurück und erzählten, was sie so erlebt hatten. Das war eine ganze Menge! Viele der Patenkinder haben sich nie wieder blicken lassen, weil sie eigene Freunde und interessante Projekte gefunden oder gleich bei den Engeln mitgewirkt haben (schnüff). Das ist natürlich die denkbar beste Variante.

Ich kann nicht für alle Patenkinder und PatInnen sprechen, aber ich habe mit sehr vielen Patenkindern gesprochen, die unheimlich glücklich wirkten. Zum Einen, da sie sich doch auf den Kongress getraut hatten und zum Anderen aufgrund der ChaospatInnen, die ihnen einen schönen Kongress ermöglichen konnten. Ich habe einige sehr sehr dankbare Emails erhalten und auch auf dem Kongress von mehreren erfahren, dass ihnen das Projekt wirklich geholfen hatte. Auch wenn ich jeden Dank an die vielen freiwilligen Paten und Patinnen weiterpipe, freut es mich natürlich, dass die Patenkinder einen tollen Kongress hatten.

Auch aus den Reihen des ccc kam positives Feedback. Das bedeutet mir persönlich sehr viel, da sie damit explizit ein Projekt, das Neulinge ermutigt, zum Kongress zu kommen, unterstützen.

Mir selber hat das ganze Projekt unglaublich viel Spaß gemacht und ich freu mich schon auf’s nächste Mal.

 

Und sonst?

Ein paar Dinge noch hinterher, die mir persönlich wichtig sind.

Erinnert ihr euch an den Taz-Artikel, der einen Tag vor Beginn des Kongresses erschien? Die Autorin hatte auch uns Chaospatinnen um ein paar Statements gebeten. Wir waren zunächst skeptisch, da die Frage “Warum ist eine Förderung für Mädchen/Frauen insbesondere notwendig?” uns doch ein Stück zu suggestiv vorkam. Wir antworteten aber dennoch, auch weil wir uns gerade dazu äußern wollten. Wir antworteten, dass wir auch aufgrund der medialen Repräsentation des Kongresses (Treffen weißer männlicher Nerds) eine höhere Hemmschwelle bei Frauen vermuten, da sie scheinbar eine unter wenigen sind. Tatsächlich können wir aber aus eigener Erfahrung behaupten, dass es immer mehr Frauen gibt und wir den Kongress als ausgesprochen offene und freundliche Veranstaltung erleben.
Unsere Antworten erschienen nicht im Artikel.

An unserer Assembly fanden sich auch die Gründer von Auticare ein und begleiteten uns den gesamten Kongress über. Es waren auch einige autistische Patenkinder mit dabei und konnten sich mit Auticare aber natürlich auch mit den anderen Patenkindern austauschen. Ich habe mich sehr über die Präsenz von auticare, über ihre positive Stimmung sowie die interessanten Gespräche mit ihnen gefreut. Es war super lustig mit euch, ich hoffe, ihr seid nächstes Jahr wieder mit dabei :))

 

Also?

Unser Angebot wurde von vielen Leuten in Anspruch genommen, das Bedürfnis war also da.
Meines Wissens verlief das Projekt super und hat ein paar Menschen sehr happy gemacht.
Mehr Hilfe nächstes Jahr ist gerne gesehen. Ich kann es nur empfehlen :))
Wir brauchen womöglich ein Tool, mit dem wir die Anfragen bessern ordnen können.
Eine schönere Assembly, die tagsüber besetzt ist, brauchen wir auf jeden Fall.
Vermutlich auch Menschen, die zum Plakate-Designen geboren sind. Ich bin es nicht.
Warum hat es 30 Jahre gedauert, bis jemand auf die Idee kam?

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