Mercedes Bunz Die stille Revolution I. Als die Algorithmen schreiben lernten Algorithmen beeinflussen, was und wie wir wissen, jedoch sind Entwicklungen oftmals schon längst geschehen, wenn wir sie bemerken, da sie oftmls in Hinterzimmern oder Garagen entwickelt werden. Auch die industrielle Revolution kam überraschend und begann mit weiterentwickelten Webstühlen. Ein beispiel für den tiefgreifenden Wandel ist die Entwicklung einer Software, die Sportreporte automatisch schreibt, indem es selbstständig Informationen erfasst und prozessiert. Da sie nicht nur Daten liefern, sondern auch prozessieren, sind die Algorithmen womöglich nicht mehr nur Wissensproduzenten, sondern auch wissend. Die Software nimmt zwar Arbeit ab, aber könnte auch automatisiert über bisher unbeachtete untere Ligen berichten. Doch vorherrschend ist Entrüstung darüber. Durch diese Entwicklung gerät eine Sozialfigur unter Druck: Der Experte. Spezialisten haben ein abgegrenztes Teilwissen innerhalb eines Wissensbereiches, Experten haben einen Überblick darüber, was Spezialisten wissen und eben jenes Überblickswissen lässt sich automatisieren. Darin liegt die tiefgreifende Veränderung begründet, da unsere Gesellschaft eine Expertengesellschaft ist. Journalisten werden von dieser Veränderung als erstes betroffen. Es stellt sich auch dringend die Frage nach dem Verhältnis zwischen Mensch und Maschine und ob letztere uns hinter sich lassen. Aber woher genau kommt eigentlich unsere Angst vor Technologie? Vom fundamentalen Beziehungsproblem Die Aufklärung wurde begleitet von der Idee, dass der menschliche Geist wie eine Maschine funktionierte, jedoch wurde diese Vorstellung problematisch, als Rechenmaschinen schneller als der menschl. Geist wurden. Spätere Überzeugungen davon, dass ein Computer schlichtweg anders ist als menschl. Intelligenz befreite uns von der Idee, menschl. und küntl. Intelligenz befänden sich in einem Wettkampf. Es sind nicht die Maschinen, die unser Denken in Bedrängnis bringen, sondern unsere Vorstellung von ihnen. Wir bedrängen uns selbst, nach Foucault (Diskurs ist eine Gewalt, die wir den Dingen antun). Die Angst vor Maschinen ist nicht die notwendige und beste Reaktion, wir sollten versuchen, Ereignisse, die nicht ungeschehen gemacht werden können, in bestimmte Bahnen zu lenken. Lernen und Denken verändern sich und die Kulturtechnik der Zeichenmanipulation hat darauf großen Einfluss. Neben der DNA und dem Gehirn beschreibt Leroi-Gourhan das Schreiben als drittes Gedächtnis der menschl. Spezies. Algorithmen verändern erneut unser Wissen, jedoch muss diese Veränderung zunächst unvoreingenommen erkundet werden. Die Erkundung der Datenwolke Alogirithmen brauchen eine große Menge an Daten, um die Bedeutungen zu erfassen und zu verwenden. Menschen können diese Datenmenge nicht mehr überblicken, dafür gibt es wiederum anderen Algorithmen, die sie ordnen, so wie Suchmaschinen. Heute ist nicht mehr nur die Stimme einer Institution für die Wahrheit relveant, sondern die Prüfung mehrerer. Es gilt nun Pluiralität, zum Einen, da nicht mehr nur eine autoritative Stimme, sondern ein Chor vielfältiger Stimmen Gültigkeit von Informationen bestimmt,zweitens da nun Fakten einfacher mit anderen Fakten verbindbar sind und sich vergleichen lassen uns drittens, da Informationen nun ausschwärmen und unsere Welt überziehen, sie müssen nicht auf Vorrat gelernt werden, sondern sind abrufbar. Wissen verändert sich, "Die Wahrheit, der man sich immer höchstens annähern kann, wird nun von ihrem Plural heimgesucht. Sie wird zu einer statistischen Wahrheit." Unsere Konzeption von Wahrheit hat sich schon öfter verändert (Bspw. zur Aufklärung) Es steht auch eine neue Verschiebung der Gesellschaft an, da es nicht nur um Geld, sondern Informationen und Wissen als Produktionsmittel geht. Das könnte die Mittelklasse im Zuge der Digitalisierung in dieselbe undankbare Rolle versetzen, wie es dem Proletariat im Zuge der Industrialisierung zukam. II. Ersetzt die Automatisierung des Wissens den Experten? Durch die Maschine hat sich die Produktion verlagert, wir produzieren immaterielle Güter, in Bereichen wie Tourismus, Recht, Kultur, Wissenschaft... Meist ist unsere Arbeit auf ein Proejtk oder einen Prozess gerichtet, nicht mehr auf ein Produkt. Ein Großteil der Menschen hierzulande, in Europa und USA arbeiten im Dienstleistungssektor, Wirtschaft basiert nicht mehr auf der physischen Abreitskraft, sondenr auf intellektuellen Fähigkeiten der kreativen Klasse. Diese Knappheit des Wissens und somit Wertschätzung wird angegriffen in einer Welt der permanenten Informationsüberflutung. Wissen begründet soziale Hierarchien, sie kann diese aber auch transformieren, es befeuert also die macht des Diskurses. Nicht nur der Stellenwet von Eliten gerät durch den permanenten möglichen Zugriff auf Informationen (es gibt nicht unebdingt mehr davon) in Gefahr, alle sind betroffen, da alle in der postindutriellen Gesellschaft zu Experten werden müssen. Digitalisierung greift jedoch nicht komplett die Autorität des Experten an, sondern die aktuelle Form. User eignen sich bspw. medizinisches Fachwissen an, um sich vom weißen Halbgott zu emanzipieren. Andererseits nutzen auch Medizinier Apps, mit denen sich Daten über Krankheitsbilder abrufen lassen. "Das im menschlichen Experten gespeicherte Wissen ist im Vergleich zum digitalen Datensatz nicht akkurat, es ist tendenziell veraltet und zudem nicht so breit gefächert" Diskurs und Elend Das Faktenwissen wird unüberschaubar und erneuert sich ständig, dadurch werden wir immer wieder damit konfrontiert, dass wir nicht genug wissen. Wir können mit diesem Tempo nicht Schritt halten, wir müssen noch mehr arbeiten, mehr lesen, ständig erreichen uns neue Informationen aus aller welt und unsere Expertise ist in Gefahr. Antidepressiva wurden zum Bestseller und oftmals betrifft unsere Angst unseren Arbeitsplatz. Jedoch sind es nicht die Technologien, sondern die Logiken, mit denen wir sie einsetzen, die uns beunruhigen. Die Entrüstung der Maschinenstürmer im 18. jhd. richtete sich nicht gegen Maschienen, sondern gegen die Ausbeutung durch andere Menschen, Technik war nicht per se der Feind, sondern die kapitalistische Logik. Der Strukturwandel durch die Digitalisierung geht weit über das technische hinaus und er muss gesellscahftlich gestaltet werden. In Anbetracht der Vorteile, die uns Technologie medizinisch beuspielsweise brachte, ist ihr schlechter Ruf erstaunlich. Wir müssen uns überlegen, wie wir die Veränderungen nutzen können. Die Exaktheit des Faktes Smartphone-Applikation lässt User auf Expertenwissen eines Genetikers zugreifen, jedoch können wir deswegen noch lange nicht mit diesem Wissen umgehen. Algorithmen können Dinge zwar ordnen, ihnen fehlt jedoch Urteilskraft. Dies könnte neue Rollen schaffen, die Experten übernehmen könnten, bspw. an der Börse, wo algorithmen beaufsichtigt werden müssen. Urteilskraft und kreatives Denken ist unerlässlich, das emosige Zusammentragen von Informationen kann an Algorithmen delegiert werden. Der Fakt selbst verändert sich, ist volatiler und ist somit anders und auf komplexe Weise mit der Wahrheit verknüpft. Wahrheit beanspruchen oft diejenigen, die sich auf Fakten stützen, jedoch sind Wahrheit und Fakt nicht dasselbe. Fakten werden permanent erneuerbar, wohingegen wir denken, dass Wahrheit doch zeitlos ist. III. Die zweite Natur Natur wird vom Menschen beherrscht, Digitalisierung ist ein Prozess, der sich vollzieht. Technologie folgt ihrer eigenen Logik, wodurch sie aber nicht unbeeinflussbar ist, jedoch hindern uns vorgefertigte Meinungen daran, dieses Potenziel zu nutzen. Befürchtungen berufen sich oft auf eine scheinbare Omnipräsenz, diese existiert jedoch nicht, es ist eher mangelnde Selsbtdisziplin oder eine ungesunde Arbeitsethik Grund dafür. "Man darf aber nicht den klassischen Fehler begehen und annehmen, dass die Geräte selbst unseren Arbeitsalltag bis ins letzte Deatil nach einer kapitalistischen Logik determinieren. Vielmehr müssen wir zwischen technischen Möglichkeiten und ihrer gesellschaftlichen Interpretation und Anwendung differenzieren". Auch Utopien sind hinderlich, da sie den Menschen als passiv und den unaufhaltsamen Entwicklungen ausgesetzt sehen. Es ist aber fatal, die eigene Verantwortung dem abzusprechen, denn Technologie umgibt uns, egal wo wir sind, sie sit zu unserer zweiten natur geworden. Google und die vier Momente der Technologie Das Verständnis von Technologie stellt uns vor Schwierigkeiten, da Aspekte verschiedene Aspekte verstanden werden müssen. Die technische Logik zu verstehen bedeutet nicht, dass die politischnen und kulturgeschichtlichen Strukturen verstanden werden. Beispielsweise die Dampflok, als Pauschalreisen als Kulturtechnik entstanden, aber nich von der Mechanik der Dampflok ableitbar waren, wenn ihr diese auch zunutze kam. Bunz eröffnet vier Aspekte am Bsp. Google: - technische Funktionalität (Google verwaltet Daten und sucht Ergebnisse nach bestimmten Schemata) - Kulturtechnik (Digitalisierung des Wissens geht mit Kulturtechnik des Suchens einher) - Gesellschaftstechnik (Google in China - Technik kann zwar reguliert werden, jedoch nicht vollkommen und Technik besitzt eine gewisse politische Sprengkraft) - technische Geste (eine Art Struktur der Technologie, die sich mit jeder Revolution wieder und wieder verändert) Diese Aspekte unterscheiden sich voneinander, prägen jedoch, wie Technik rezipiert wird. Das interesselose Biest Angst vor technologischem Wandel lässt sich lange zurückverfolgen. Angst vor der geistigen Verarmung hat die Technologie schon lange begleitet (Platon-Schirrmacher), auch wenn ihr Wesen sich stark geändert hat. Einerseits wird der Technik zugeschrieben, unsere Fähigkeiten zu minimieren, andererseits wird sie als das Werkzeug beschrieben, ohne welches wir nicht überlebensfähig wären. Nach Simondon führt die Auslagerung von Aufgaben an Computer zu einer Fixierung von Aufgaben, sie müssen festgelegt werden, was wir als Beraubung verstehen könnten. Denn indem Technologie menschliches Handeln automatisiert, schränkt sie es auch ein. Andererseits muss eine Maschine auch offen für Veränderung sein, sonst geht sie kaputt, programme können angepasst werden - das Funktioneiren einer Maschine birgt einen gewissen Unbestimmtheisspielraum in sich und ist somit offen für Input. "Zum einen konfrontieren und die in den maschinen fixierten Handlungsabfolgen mit einer gewissen Logik, aber diese Logik ist kein Alleinherrscher oder Diktator. Maschinen haben keine Interessen, sie haben keinen Willen. Sie sind letzlich immer irgendwie unbestimmt. Zum anderen ist Technologie nie geschlossen. Apparate müssen offen sein, um überhaupt angewandt werden zu können, und damit sind sie zugleich offen für Veränderungen." - insofern gilt es als Gesellschaft auch Einfluss zu nehmen und Technologien nicht nur zu fürchten sondern auch zu nutzen. Die Vorstellung, dass wir Technilogie gezielt gestalten können, schein Politkern abhanden gekommen zu sein. Dabei sollte ein Skepsis gegenüber utopien nicht zum Aufgeben des gestalterischen Anspruchs führen. IV. Von Massen und ihrer Herstellung In der Demokratie spielen Technologie und Kommunikation eine wichtige Rolle. Technologien schaffen neue Möglichkeiten, Meinungen der Masse differenzierter darzustellen, die technische Komponente ist folglich nicht politisch neutral. Technisches Setting prägt auch, welche Gesellschaftsformationen möglich sind, jedoch ist bspw. Facebook mit 825 Mio Nutzern keine Gemeinschaft, da lediglich Menschen dieselbe Plattform bevölkern, also eher eine Gesellschaft. Zeitungen haben ebenfalls ohne territoriale Bindung Menschenmassen produziert, indem sie Ende des 19. Jhd. Massen erreichten. Die Veröffentlichungsgesellschaft Bunz vergleicht die Times, die schon 1817 das Sprachrohr der Bevölkerung sein wollte und sich durch ein Netzwerk von Korrespondenten Meinungen aller Klassen einholte, mit Hobbes' Leviathan, einem Gesellschaftsvertrag, der durch eine legitime Regierung garantiert wird. Beobachter von Geschehen wären in analogen Zeiten ideale Zeugen gewesen, nun twittern sie bspw. direkt. "Das Triumvirat der Medien, das bis dato aus Fernsehen, Radio und Zeitung bestand, wird nun vom Internet herausgefordert." Vor allem Journalisten fühlen sich durch das verteilte Aufzeichnen von Ereignissen bedroht. Wir können nicht mehr nur allein bezeugen, was geschehen ist, sondern auch unsere mitgeführten Geräte konsultieren. Es trat eoine Massifizierung der Blogosphäre (nach Geert Lovink) ein und das Privileg, sich an ein geografisch verstreutes Publikum zu richten, war nicht mehr nur Journalisten vorbehalten. Netzöffentlichkeit wird mit viel Skepsis begegnet. Fragmentierung aber bspw. gab es schon vorher, so wie laute, vereinfachte und kopierte Meinungen. Öffentlichkeit ist nach Ahrendt zum Einen für alle zugänglich, zum anderen aber auch relevant für alle, also die Menschen "in ihrem Interesse an einer ihnen gemeinsamen Welt versammeln". Die Aspekte -für alle zugänglich, für alle relevant- beginnen nun auseinanderzudriften. Nur weil etwas öffentlich gemacht wurde, beansprucht es nicht, für alle relevant zu sein. Dadurch geht aber auch der einzelne unter, weil sich niemand für einen interessiert. Es braucht daher weiterhin professionellen Journalismus, da er einen gemeinsamen Faktenhintergrund erzeugt und Schnittstelle ist an welcher wir aushandeln, was relevant ist, zweitens er mit Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit asugestattet ist und einer eigenen Ethik unterworfen ist, und drittens hat er eine ordnende Funktion Die Digitalisierung der Presse Digitalisierung erhöht die Reichweite von Zeitungen, da zur gedruckten Ausgabe noch die Online-Ausgabe hinzu kommt und Menschen ihnen mehr Zeit widmen. Es muss sich an ein anderes Klientel angepasst werden, wie es schon zur wende zum 20.Jhd der Fall war. Digitalisierung verlangt auch nach einem neuen Geschäftsmodell. Zunächst müssen Verluste eingefahren werden, da Online Werbung nicht so viele Einnahmen bringt. Journalismus ist jedoch mehr als nur gedruckter Text, Guardian bspw. veranstaltete Konferenzen und Schulungen. Journalisten könnten bald eine wichtige Bildungsinstitution bilden. Digitalisierung verändert die Berichterstattung, da zum Einen Lesende aktuelle Meldungen online verfügbar haben wollen, zum Anderen da mehr Content von LeserInnen eingearbeitet wird. Der Guardian ließ sogar Dokumente über Spesen von Abgeordneten per Crowdsourcing überprüfen. Journalistische Ethik und professionelle Standards sind nicht obsolet, durch den technischen Fortschritt hat sich ihr Anwendungsbereich erweitert - es braucht Menschen, die Technologien beobachten und überwachen und sicherstellen, welche Informationen verschwinden und welche begünstigt werden. Politik und Presse stehen in einem gewissen Abhängigkeitsverhätlnis, denn Politiker wollen in einem guten Licht stehen, Presse will günstige politische Reglementierungen. Womöglich muss die digitale Öffentlichkeit dafür Sorge tragen, dass eine Distanz eingehalten wird. V. Digitale Öffentlichkeit Das Medium Internet schafft erneut einen Raum zur Organisation von Massen, die nicht physisch zusammentreffen. Die Masse hat jedoch keinen guten Ruf, sie sei einfach zu manipulieren. Doch Massen können in Zeiten der Digitalisierung nicht nur jederzeit auf Informationen zugreifen, sie können auch selbst Eindrücke vor Ort übermitteln. Jedoch hat sich weniger der Mensch verändert, als die Grundfunktionen der Technologie. Zeitungen konnten durch die Erfindung der Eisenbahn größere Massen erreichen, jedoch war damit ein großer logistischer Aufwand verbunden und Journalisten wurden angewiesen, den kleinsten gemeinsamen Nenner der Leserschaft zu bedienen. Durch die Kosten konnten große Verlagshäuser die Berichterstattung dominieren. Diese Faktoren fallen durch digitale Medien weg, der technische Aspekt der Masse ist immer schon vorhanden, daher ist das Internet ein potenzielles Massenmedium. Für die Seite Boingboing gilt, dass sie durch die Umstellung von Print auf Online sogar viel mehr BesucherInnen verzeichnete. Es besteht jedoch die Gefahr, dass Inhalte inmitten vieler gleichberechtigter Beiträge verschwinden, jedoch werden sie archiviert. Das Archiv der Gegenwart Vor der Digitalisierung konnte Wissen vor allem über historische Zeitpunkte bezogen werden, Gegenwartswissen war Menschen mit Beratern vorbehalten. Das hat sich geändert. Die technischen Systeme des internet sind Einrichtungen zur Erfassung und Erhaltung von Informationen über die Gegenwart. Auch die Inhalte im Netz sind unübersichtlich, jedoch richtet sich die Grundstruktur nach einer anderen Aufmerksamkeitslogik, da die Inhalte in semantischen Nischen abgelegt werden. Vom Journalismus kennen wir die Zuordnung nach Ereignis, die digitale Öffentlichkeit wird dagegen vor allem von Interessen der Nutzer getrieben. Videos werden teilweise erst nach jahren viral durch Verlinkung und werden nachgeahmt, wie ein "Meme". Was der Chor der Stimmen berichtet Geschehnisse werden mittlerweile von Beteiligten selbst kommuniziert, angesichts der Pluralität der Beiträge müssen wir uns selbst ein Bild davon machen, was für uns wahr ist. Es besteht kein Anspruch auf Objektivität. Datenjournalisten können einen Einblick geben, den die klassische Berichterstattung nicht ermöglich hätte. Wikileaks ermöglicht die Bereitstellung von Quellen, jedoch benötigen wir angesichts der schieren Masse Algorithmen, die sie sichtbar machen. Objektiv berichtende Journalisten sind also nicht mehr alleinige Hüter der Wahrheit, da wir mittlerweile auf einen Chor von Stimmen zugreifen können, die unmittelbar vor Ort sind. "Wir wissen zwar nicht, ob wir den einzelnen Stimmen trauen können, wenn sie jedoch etwas Gemeinsames berichten, wenn sie in diesem Sinne einstimmig singen, bezeugt dies die wahrheit des Gemeldeten. Es ist diese Vielstimmigkeit, die den unsicheren Wahrheitsanspruch digitaler Inhalte bekräftigt. Was früher nur die Journalisten erledigt haben, die die unterschiedlichen Perspektiven zu einer schlüssigen Geschichte synthetisierten und Falschmeldungen herausfilterten, müssen die Nutzer heute selbst leisten." Es ist im Grunde genommen eine Neuauflage des "Sapere Aude" 6. Die Stille Revolution Anstelle von Politischen Träumen stehen nun wirtschaftliche Ideen, wobei Politik und Wirtschaft nie in einem starren verhätlnis zueinander standen. Marktregulierungen und Einfluss von Wirtschaftsakteuren auf Politik sind alltäglich, allerdings existiert kein Gleichgewicht, die Wirtschaft zieht immer mehr soziale Bereiche in Mitleidenschaft. Seit vielen Jahren fehlt es an Visionen, die letzte Umgestaltung war der Neoliberalismus, der sich als Irrweg entpuppte. Wirtschaft steht alleine da, vieles folgt der Logik der Effizienz, selbst Politik, Religion und Wissenschaft. Bunz stellt die These auf, dass die digitale Öffentlichkeit ein Gegengewicht bilden kann. Zwar befinden sich viele Firmen aus diesem Bereich ebenfalls in privater Hand, jedoch war das im Journalismus nie anders, bis auf die wenigen in öffentlicher Hand. Im Unterschied dazu gestalten nun jedoch die NutzerInnen die Inhalte. Sie zeichnen sich durch aktive partizipation aus (Kapitel 4). Millionen Nutzer veröffentlichen ihre Beiträge und werden dabei von Open Source Strategien unterstützt, die einer gemeinnützigen logik folgen (und eigentlich dabei staatlich unterstützt werden sollten). Diesem Umstand ist es zu verdanken, dass das Internet nicht einfach nur ein großes Shopping-Center geworden ist. Bunz bezeichnet das Gegengewicht der Nutzer als vertikale Kontrolle - zwar sind Nutzer von privaten Plattformen abhängig, diese jedoch aus ökonomischen Gründen auch von den NutzerInnen. Sie müssen um ihr Vertrauen werben, ob sie dieses auch verdienen, muss allerdings kritisch beobachtet werden. Private Unternehmen setzen häufig auf Transparenz, da auch Publikationsplattformen sich oftmals nach bestimmten interessen richten. Teilweise stehen sich ethische Selbstverpflichtungen und Geschäftsinteressen im Wege. Jedoch kann der Protest der Userschaft durchaus zu Veränderungen und Anpassungen von Unternehmen führen. Der begriff des Clicktivismus macht deutlich, dass Menschen, die sich digital vernetzen und mobilisieren, noch keine Revolution verursachen. Sie müssen real auf die Straße gehen, um etwas auf die Beine zu stellen. Virtuelle Handlungen können jedoch auch reale Auswirkungen haben. Wenn ein politischer Wille vorhanden ist, erleichtert es das Internet, diesem Ausdruck zu verleihen. Wir können mit dem Internet besser koordinieren, das hat einen nachhaltigen Einfluss darauf, wie sich heute Massen bilden und Protestereignisse verlaufen. Digitale Massenorganisation Durch digitale Hilfsmittel kann sich eine ehedem dumme Masse, die sich leicht einkesseln ließ, in einen "Smart Mob" (Howard Rheingold) verwandeln. Weitere Hilfsmittel dienen der Kartierung von Ereignissen, bspw. Übergriffen oder Ereignisse im Zusammenhang mit Naturkatastrophen. Darüber hinaus können Menschen mit techn. Hilfsmitteln politisiert werden. Obamas Kampagne mobilisierte Millionen Menschen, die einen Bottom-Up-Ansatz verfolgten. Ein Großteil der Spenden betrug unter 100$ und stammte somit von Angehörigen aller Klassen. Digitale Transparenz Grundbedingung für Kontrolle und Partizipation ist der Zugang zu Informationen und Daten. Großbritannien nahm dabei eine Vorreiterrolle ein, Menschen bauten mit den veröffentlichten Daten Anwendungen über Verkehrsbehinderungen, Seniorenheime oder lokal zugeordnete Kriminalitätsstatistiken. Jedoch gibt es auch hier Asymmetrieren, da diese Techniken nur technisch versierten Menschen (und somit ihren Interessen) zur Verfügung stehen. Es müssen also mehr Menschen ausgebildet werden, um diese Chancen zu nutzen. Ein Strukturwandel der Öffentlichkeit findet trotzdem statt, es ist ein Wandel von der repräsentativen zur partizipativen Demokratie im Gange, denn digitale Technologien vereinfachen das Einbringen in Angelegenheiten. Das Internet der Dinge Es gibt einen explosionsartigen Zuwachs an Internetfähigen Endgeräten, RFID-Chips können kleinste Dinge zu Sendern und Empfängern machen und die Einführung von IPv6 kann genügend Geräten eine IP-Adresse geben - diese drei Faktoren ermöglichen das Ansteuern von unzähligen Geräten. Das ruft zwar einerseits Befürchtungen hervor, doch andererseits ergeben sich dadurch auch Möglichkeiten: Unternehmungen eines bestimmten Komplexitätsgrades unterliegen nun nicht mehr dem Monopol von größeren Institutionen. Entscheidend ist nicht die finanzielle Aufwendung, sondeern die Koordination von Geräten, Räumen und Fähigkeiten. Dadurch können NMCOs (non-money-centered organizations) Projekte koordinieren, bspw. ein Projekt, das die Zahl der britischen Menschen, die nicht mit dem Internet umgehen können, drastisch reduzieren wollte. Über ein Web-Interface konnten sich Menschen melden, die Computer, Kurse oder Räume zur Verfügung stellen konnten. Die Digitalisierung gibt uns Möglichkeiten, Freiräume für Bewegungen, Projekte und Organisationen zu schaffen, deren oberstes Ziel nicht die Gewinnmaximisierung ist. "Die Digitalisierung lehrt uns, dass es auch anders geht. Die Digitalisierung bietet uns heute die Möglichkeit, eine andere Zukunft zu gestalten. Und aus ihr wird, was wir aus ihr machen." "Die Wahrheit, der man sich immer höchstens annähern kann, wird nun von ihrem Plural heimgesucht. Sie wird zu einer statistischen Wahrheit. " S. 38 "Das im menschlichen Experten gespeicherte Wissen ist im Vergleich zum digitalen Datensatz nicht akkurat, es ist tendenziell veraltet und zudem nicht so breit gefächert" S. 49 "Man darf aber nicht den klassischen Fehler begehen und annehmen, dass die Geräte selbst unseren Arbeitsalltag bis ins letzte Deatil nach einer kapitalistischen Logik determinieren. Vielmehr müssen wir zwischen technischen Möglichkeiten und ihrer gesellschaftlichen Interpretation und Anwendung differenzieren". S. 65 "Zum einen konfrontieren und die in den maschinen fixierten Handlungsabfolgen mit einer gewissen Logik, aber diese Logik ist kein Alleinherrscher oder Diktator. Maschinen haben keine Interessen, sie haben keinen Willen. Sie sind letzlich immer irgendwie unbestimmt. Zum anderen ist Technologie nie geschlossen. Apparate müssen offen sein, um überhaupt angewandt werden zu können, und damit sind sie zugleich offen für Veränderungen." S. 82 "Das Triumvirat der Medien, das bis dato aus Fernsehen, Radio und Zeitung bestand, wird nun vom Internet herausgefordert." S. 92 "Wir wissen zwar nicht, ob wir den einzelnen Stimmen trauen können, wenn sie jedoch etwas Gemeinsames berichten, wenn sie in diesem Sinne einstimmig singen, bezeugt dies die wahrheit des Gemeldeten. Es ist diese Vielstimmigkeit, die den unsicheren Wahrheitsanspruch digitaler Inhalte bekräftigt. Was früher nur die Journalisten erledigt haben, die die unterschiedlichen Perspektiven zu einer schlüssigen Geschichte synthetisierten und Falschmeldungen herausfilterten, müssen die Nutzer heute selbst leisten." S. 132 "Die Digitalisierung lehrt uns, dass es auch anders geht. Die Digitalisierung bietet uns heute die Möglichkeit, eine andere Zukunft zu gestalten. Und aus ihr wird, was wir aus ihr machen." S. 160